Ich glaube, der Mangel an Sozialität unter den Spielern, der insbesondere in den letzten Jahren auf Bergruen zu beobachten war, ist nicht zwangsläufig ausschließlich auf die Community zurückzuführen.
Aber lasst mich dazu erst ein wenig ausholen.
Viele Spieler berichten retrospektiv von ihren Erinnerungen und Erfahrungen zu Beginn ihrer Zeit in Florensia und schildern gern wie "gut früher doch alles war" oder "wie viel Spaß man damals noch hatte" und "wie viele nette Leute/Freunde man früher noch fand". Wenn wir versuchen, die rosarote Melancholiebrille einmal kurzzeitig abzulegen, wird aber schnell deutlich, dass damals nicht einfach alles "besser" war, sondern schlichtweg anders.
In einer Zeit, in der Florensia noch eines der wenigen free2play MMORPGs im deutschsprachigen Raum war und mittels Werbung im (Vor)mittagsbereich auf RTL2 Aufmerksamkeit auf sich zog - damit an viele Jugendliche und Kinder adressierte, die noch nicht mit dem Genre des Online-Gamings vertraut waren - und in seinem "Anime" Design gut die Zielgruppe des Senders traf, der sich damals noch stark auf Anime für Kinder und Jugendliche spezialisiert hatte.... war Florensia's früherer Erfolg kein Zufallstreffer, sondern das Produkt intelligenten Marketings.
Wie bei jedem MMO steigt aber mit dem Alter auch die Zahl neuer frischer Konkurrenz, mit der irgendwann nicht mehr Schritt gehalten werden kann; was insbesondere für Florensia ein Problem darstellte, da das Spiel schon zu Beginn arg mit Bugs und deren Handhabung, der Kommunikation mit den Entwicklern, der Organisation und Strukturierung von neuem Content und Updates sowie der Einbringung von Communitywünschen in die weitere Planung zu ringen hatte. Und es wurde immer deutlicher sichtbar. Je mehr Zeit verging, desto mehr wurde Florensia schlichtweg abgehängt.
Was uns nun zur Frage bringt: wenn Florensia nichts besonderes ist, wieso hielten so viele Spieler bis zum Schluss daran fest?
Zunächst einmal: das taten sie nicht.
Eine Großzahl an Spielern verließ auf dem Weg das "Sinkende Schiff" zugunsten anderer Spiele und selbst wenn einige zurückkehrten, nehme ich an, dass es weniger durch das Spiel an sich begründet war, als durch die Sentimentalität der Erinnerungen in Florensia, die selbst durch die besten und schönsten neuen Spiele schwer bis gar nicht zurückzubringen/"zu toppen" sind. Insbesondere dann, wenn - wie man vielerseits oft hörte - es sich bei Florensia um das erste/eines der ersten gespielte MMO handelte. Ich traf häufig Spieler, die sich vehement auch nur gegen die Idee ein neues Spiel anzufangen, zu wehren schienen, weil "sowieso nix so gut ist wie flo" oder ähnlichen (zugegeben etwas ignoranten) Erklärungsansätzen.
Ich denke das hängt teilweise mit der Konzeption des individuellen Selbstwertes mancher Menschen zusammen. Nach so vielen Jahren verbrachter Zeit in Florensia, kann nicht jeder akzeptieren und sich eingestehen, dass diese Zeit eventuell auch vergeudet gewesen sein könnte, da das bedeuten würde, man hätte sich jahrelang umsonst investiert - einen Fehler begangen, wenn man so will. Und wenn sie dem Spiel dann zusätzlich noch eine enorm hohe Bedeutung beimessen und es insgesamt als großen Teil ihrer selbst und ihres Lebens betrachten, wird das eingestehen immer schwieriger. Es ist viel leichter, stattdessen zu verleugnen, dass es mit Florensia bereits seit geraumer Zeit bergabging und sowohl die Community als auch das Spiel selbst immer mehr in einen Zustand der Verwahrlosung driftete und sich einzureden, alles sei toll und wundervoll gewesen - daher auch so viele Pro-Flo-Sympathisanten gegen Ende des Spiels.
Ich stimme Tom - ohne selbst je auf Karanir aktiv gewesen zu sei - in soweit zu, dass neue Non-Pvp-Spieler auf dem Non-PvP-Server wohl besser aufgehoben sind, was aber ziemlich selbsterklärend ist. Aktive PvPler sind wohl nach wie vor mit allen andere Servern mindestens genauso gut beraten.
Was alle Alt-Spieler anbelangt die bereits begonnen haben, bevor Karanir überhaupt in Planung war.. denen stand diese simple Wahlmöglichkeit vorab nicht zur Verfügung.
Und ja, ich gehe davon aus, dass einige der Spieler Bergruens (und auch der anderen Server aber da ich dort nicht aktiv war beschränke ich mich auf Ber) mitunter auch durch den fortwährend steigenden PvP-Anteil des Spiels verschreckt wurden; denn sich immer weiter ausdehnenden Warzone-Bereichen in Kombination mit steigender Langeweile unter den High-End Spielern war es lange absehbar, auf welches Szenario es sich letzten Endes belaufen würde. Einige flohen sich sicher nach Karanir, andere gar in neue Spiele, doch letztlich blieb auch ein kleiner Anteil zurück
Was mich wieder auf meine These zu Beginn zurückkommen lässt - die Restcommunity Florensias.
Es ist sinnvoll anzunehmen, dass es weder zufällig noch willkürlich war, wer bis heute in Florensia zurückblieb und wer nicht. Es hat vielmehr den Anschein, als sei Florensia eine ökologische Nische in die sich genau die Spieler zurückziehen, denen die Bedingungen und das Setting bis zum Schluss am meisten zusprachen.
Wenn man dann auf Ber1 um 13 Uhr an einem Samstag Mittag kaum Chance hatte, in der Lava Zone oder Droes zu leveln, dann bedeutet das, dass genau diese Kriterien für einen Teil der Spielerschaft dazu veranließen, es für legitim zu halten, genau dann und dort das Leveln zu unterbinden.
Ich sage hiermit keineswegs, dass alles "Florensias Schuld" sei oder dergleichen, sondern will nur nahelegen, dass es sich um einen Prozess von beiden Seiten ausgehend handelt. Das Spiel liefert Features und das Setting (PvP-Zones in level-und questrelevanten Bereichen, Zugang für High-End Spieler zu Low-Level Bereichen, See-Pvp-Zones, PvP-Zones um Bossspawnpunkte herum, Bosse mit handelbaren Drops unabhängig vom Level der Farmer und und und..)- die Spieler, denen das zusagt, zeigen zu erwartendes Verhalten (Quest- und Levelbehinderung, Low-Spieler Farming, random Spieler Kill auf See, Low-Boss Farming, Extremes Boss Farming insgesamt, ...). Vielleicht hat es auch ein wenig was von Konditionierungsprozessen.
Vielmehr als eine Veränderung innerhalb der Spieler, halte ich es jedoch für einen Filterungsprozess, bei dem heraussingularisiert wird, wer bis ganz zum Schluss des Spiels noch Möglichkeiten gefunden hat, sich bei Laune zu halten und wer nicht.
Wenn also von einer verarmten, asozialen Community die Rede ist, würde ich zu bedenken geben, dass das Spiel sich damit genau diese End-Community selbst herausgefiltert hat.
Das heißt nicht, dass es diese Art Spieler nur in Florensia und nur hier in der Zahl gibt.
Das bedeutet nur, dass die Relation zu anderen Spielern, die von solchen Praktiken absehen, ausgewogener ist und man weniger geleitet ist, anzunehmen, jeder sei so (oder gar, es sei "normal" so zu handeln). Neben einigen teilweise obskuren Gruppennormen die sich in der Restcommunity verbreitet haben, entwickelte sich aber auch eine Art Minoritätszusammengehörigkeitsgefühl unter den Spielern, die nach all der Zeit weiterhin am Spiel festklammerten um die Erinnerung am Leben zu erhalten und gemeinsam in ihr schwelgen zu können oder sie gar neu aufleben zu lassen und ähnliche neue Erinnerungen zu schaffen. Wie man beispielsweise an Toms langjährigen Bestrebungen, Spieler nach Karanir zu locken, erkennen kann.
OnkelTom schrieb:Mich würde es freuen wenn sich auch Leute wie Erec und du zumindest einen char auf karanir für nebenbei erstellen, einfach mal um dieses gefühl wieder zu bekommen was man damals auf ber hatte
Die Sentimentalität der Erinnerungen; der plötzliche Entzug einer Sache, die man mehr oder minder exzessiv jahrelang betrieben und in die man Zeit, Mühe und eventuell gar Liebe investierte; mitanzusehen, wie mühelos eigene Erzeugnisse der letzten Jahre ausgelöscht werden können; die Unfähigkeit, etwas gegen die "Ungerechtigkeit durch höhere Mächte" unternehmen zu können; das Fehlen von Alternativen wenn man sich zuvor gegen andere Spiele verwehrt hatte; der Wegfall einer Restcommunity die man in ihrer Vertrautheit und Eingeschworenheit erst nach erneuten Jahren der Investition wiedererlangen könnte; das Eingeständnis, dass die vergangenen Jahre vergangen sind und nicht wieder zurückkehren -
All das führte meiner Ansicht nach zu einer sich stur stellenden Restcommunity, die sich vehement in fruchtlosen Ansätzen zur Verhinderung der Schließung Florensias verlief und sich nun - angetrieben durch die neue Information der Wiederöffnung - in ihrem Glauben bestätigt sieht, sie habe etwas bewirkt, sie könne etwas ändern.
Es lohne sich immernoch, zu kämpfen.
Wofür auch immer.